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„Kann mal jemand entscheiden?“ – Warum selbstorganisierte Teams oft in Entscheidungsstarre geraten

Selbstorganisation gilt in der agilen Welt als Königsdisziplin: Teams, die ihre Arbeit eigenständig strukturieren, Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen, sind flexibler, schneller und oft innovativer. Doch viele Führungskräfte und Agile Coaches kennen den Satz, der diese Idealvorstellung ins Wanken bringt:


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„Kann mal jemand entscheiden?“


Was wie ein Nebensatz klingt, ist in Wirklichkeit ein Symptom – und oft ein Alarmsignal.


Der Kern des Problems: Entscheidungsverantwortung ist diffus


In klassisch hierarchischen Strukturen ist klar, wer entscheidet. In selbstorganisierten Teams fällt diese Eindeutigkeit weg. Die Folge:

  • Entscheidungen werden vertagt, bis „alle“ einverstanden sind.

  • Diskussionen drehen sich im Kreis, weil kein klarer Rahmen existiert.

  • Verantwortung wird – oft unbewusst – an „irgendwen“ oder „die Gruppe“ delegiert.

Selbstorganisation bedeutet eben nicht, dass Entscheidungen von allein entstehen. Sie müssen bewusst gestaltet werden – mit klaren Rollen, Entscheidungswegen und Kriterien.


Typische Ursachen für Entscheidungsstarre


  1. Unklare EntscheidungsdomänenNiemand weiss, wer darf und soll in einem bestimmten Bereich entscheiden.

  2. KonsensfalleDas Missverständnis, dass jede Entscheidung nur gültig ist, wenn alle zustimmen – was Prozesse extrem verlangsamt.

  3. Angst vor FehlernOhne formale Absicherung fehlt das Sicherheitsnetz – und damit der Mut, klare Ansagen zu machen.

  4. Fehlende EntscheidungswerkzeugeViele Teams haben nie explizit geklärt, wie Entscheidungen getroffen werden: Konsent, Mehrheitsentscheid, Delegation, Expertenentscheid, etc.


Wege aus der Entscheidungsfalle


  • Entscheidungsräume definierenKlare Verantwortungsbereiche und Entscheidungskompetenzen festlegen – sichtbar und verbindlich.

  • Entscheidungsregeln vereinbarenFür unterschiedliche Situationen passende Methoden festlegen:

    • Konsent für komplexe Themen,

    • Delegation an Experten für Fachentscheidungen,

    • Mehrheitsentscheid für schnelle Abstimmungen.

  • Fehlerkultur stärkenEntscheidungen sind selten perfekt. Eine Kultur, die Lernen statt Schuldzuweisung priorisiert, senkt die Hemmschwelle.

  • Moderation nutzenIn kritischen Phasen kann ein Moderator helfen, Diskussionen zu strukturieren und zu einem Ergebnis zu führen.


Fazit

„Kann mal jemand entscheiden?“ ist kein Zeichen von Faulheit oder fehlender Motivation. Es ist ein Hinweis darauf, dass Entscheidungsstrukturen nicht klar genug definiert sind – oder dass das Team noch Sicherheit im Umgang mit Entscheidungsverantwortung braucht. Selbstorganisation funktioniert nur dann, wenn sie bewusst gerahmt wird. Wer als Führungskraft oder Agile Coach hier unterstützt, ebnet den Weg für schnellere, klarere und bessere Entscheidungen – ohne die Prinzipien der Selbstorganisation zu opfern.

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